Ein ausgiebiger Spaziergang im Schnee, Ski- oder Schlittelvergnügen: Nicht für mich. Denn seit einigen Jahren leide ich am Raynaud-Syndrom, einer attackenartigen Durchblutungsstörung. Doch muss ich das einfach so hinnehmen? Mein persönlicher Erfahrungsbericht und die vielversprechendsten Winterhandschuhe im Test.
Der Fachbegriff lautet «Morbus Raynaud» oder «Weissfingerkrankheit», der Volksmund spricht von «Leichenfingern» - und das nicht ohne Grund. Wer mir die Hand zum Gruss reicht, zuckt entweder zurück, oder hüllt meine Hände, mit dem spontanen Bedürfnis Wärme zu spenden, minutenlang in einen kräftigen Händedruck.
Das Raynaud-Syndrom erhielt seinen Namen im 19. Jahrhundert, nachdem der französische Arzt Maurice Raynaud es als erster wissenschaftlich untersucht hatte. Es bezeichnet eine plötzliche, anfallsartige Durchblutungsstörung der Finger (oder Zehen), die vor allem durch Kälte, aber auch durch Stress ausgelöst wird. Etwa drei bis sechs Prozent der Bevölkerung leiden darunter, Frauen etwa viermal häufiger als Männer.
Die Stadien eines Schubs werden mit dem Begriff «Trikolore-Phänomen» erklärt. Die eingeschränkte Durchblutung lässt die Finger in der ersten Phase weiss werden, beginnt das Blut wieder zurückzufliessen werden sie blau, und weil der Körper dann mit einem vermehrten Blutfluss reagiert, werden sie rot. Die einzelnen Phasen können sich über wenige Minuten bis zu mehreren Stunden hinziehen und besonders die letzte Phase ist äusserst schmerzhaft.
Weitere medizinische Erläuterungen erspare ich Ihnen, darüber gibt es bereits genügend Berichte. Vielmehr erzähle ich von meinem Versuch, den Beeinträchtigungen dieser unliebsamen «Krankheit» ein Schnippchen zu schlagen.
Von der heissen Kartoffel im Hosensack bis hin zum Funktionshandschuh für arktische Expeditionen – ich habe alles getestet.
Wo heute Goretex, recyceltes Polyester oder Merino zum Einsatz kommen, sorgte zu Grossmutters Zeiten die gute alte Schafwolle für warme Glieder. Auch Leder und Felle halten den Menschen seit Jahrhunderten die Kälte vom Leib.
Schon beim Anblick einer vollständig in Fell gekleideten Inuit-Dame wird mir warm ums Herz. Doch nicht nur wäre ein solches Outfit in unseren Breitengraden fehl am Platz, sondern ethisch mehr als fragwürdig.
Lammfellstiefel und -handschuhe finde ich hingegen vertretbar, und so hülle ich meine Hände und Füsse erst in Schafwolle und stecke sie dann in dicke Lammfelltreter respektiv Fäustlinge.
Fazit: Die Glieder bleiben warm, allerdings nur an sonnigen Tagen ohne jegliche Wetterkapriolen. Für Schneeballschlachten und Wintersport sind die hübschen Accessoires absolut ungeeignet, da weder wind- noch wasserdicht. Feinmotorische Bewegungen, wie das simple Öffnen eines Reissverschlusses, sind unmöglich.
Da Wolle und Leder meine kalten Finger weder ein- noch doppellagig nachhaltig warm hält, machte ich mich auf die Suche nach härteren Geschützen und testete drei «Rolls-Royce» unter den Handschuhen, Luxus im Preis, wie auch in der Funktionalität:
Als erstes darf ich den «Meron Thermo 2 in 1 Glove» des Schweizer Outdoor-Experten Mammut testen. An dieser Stelle bedanke ich mich nochmals herzlich beim Hersteller, denn trotz Vorbehalten, da ich den Handschuh ja quasi zweckentfremde, wurde mir ein Exemplar kostenlos in die Redaktion geliefert.
Der robuste Alpinhandschuh verfügt über alles, was sich ein Bergsportler im Winter wünschen kann und kommt im Normalfall auf Ski- und Klettertouren zum Einsatz. Ich teste ihn für meine Bedürfnisse im städtischen Alltag mit der Familie.
Zum ersten Mal seit langem bleiben meine Finger über einen längeren Zeitraum wohlig warm ohne dabei schwitzig zu werden. Der Handschuh ist absolut wind- und wasserdicht, selbst einige Schneebälle lasse ich meinen Kindern um die Ohren sausen.
Wehmutstropfen: Nur der Innenhandschuh ist Smartphone-tauglich und der Aussenhandschuh ziemlich klobig, daher muss ich ihn häufig ausziehen, um beispielsweise die Nase zu putzen, oder ein Busbillet zu kaufen.
Fazit: Mit zwei Stunden Frischluftaufenthalt bei um die null Grad für meine geplagten Fingerchen ein Wärmerekord. Ich kann mir nicht vorstellen, dass normal durchblutete Hände in diesem Handschuh auch nur einmal ins Frösteln kommen.
Mein nächstes Testobjekt klingt vielversprechend: den «Zanier Gloves Street Heat.ZB» durfte ich zum Vorzugspreis beim Outdoor & Camping Shop Campz beziehen, auch hier meinen herzlichen Dank.
Der Street Heat.ZB heizt mittels robusten Lithium-Ionen Akkus, welche unsichtbar und kaum spürbar im Bund des Handschuhs platziert werden können. Die Handschuhheizung lässt sich mittels einem Schalter auf der Oberhand bedienen und verspricht bis zu 3,5 Stunden Wärmezufuhr, anschliessend lassen sich die Akkus mit dem mitgelieferten Ladegerät in Kürze aufladen.
Der Street Heat.ZB ist für einen robusten Handschuh und mit seinen Lederbesätzen aussergewöhnlich schlicht und edel designt. So ist er gerade für festliche Anlässe, wie Weihnachtessen oder Theaterbesuche meine erste Wahl. Schade nur, dass der Heizschalter bei Gebrauch knallrot aufleuchtet - die roten Lämpchen machen im Nu jedes Outfit zunichte.
Fazit: Der Street Heat.ZB passt sich gut an die Hand an und lässt daher viel Bewegungsspielraum. Allerdings ist gerade die schmale Passform bei Durchblutungsstörungen eher unvorteilhaft, denn im engen Handschuh werden die Finger schneller kalt. Die Wärmezufuhr kommt von oben, um eine Raynauds-Attacke abzuwenden bedarf es aber Wärme an der Fingerkuppe.
Von diesem Handschuh verspreche ich mir wahre Wunder: Der «Heat 3 Smart» von The Heat Company wurde speziell nach den Anforderungen polizeilicher Sondereinheiten in Deutschland und Österreich (Cobra) konzipiert und umgesetzt. Auch am Südpol oder auf über 7000 Meter über Meer sind diese Exemplare erfolgreich zum Einsatz gekommen.
Der Heat 3 Smart besteht aus einem superweichen Fingerhandschuh umhüllt von einem wind- und wasserdichten Fäustling. Die Fingerhandschuhe sind Touchscreen-tauglich und im Gegensatz zu anderen Handschuhen muss der Aussenhandschuh für feinmotorische Angelegenheiten nicht ausgezogen, sondern lediglich die Daumen- und Faustlasche heruntergeklappt und mittels Magnet befestigt werden.
Das grösste Plus: Im Fäustling befindet sich ein extra Fach für Einweg-Handwärmer, die bis zu 12 Stunden zusätzliche Wärme versprechen. Ein paar Fragezeichen haben die Magnete aufgeworfen, denn sind die Fäustlinge nicht zurückgeklappt und wühle ich in meiner Handtasche nach einem Taschentuch, sammle ich im gleichen Atemzug Hausschlüssel und Haarspangen ein.
Fazit: Schick ist er nicht, der Heat 3 Smart, er passt eindeutig mehr zur Expeditionsausrüstung, als zum klassischen Wintermantel. Doch dank der zusätzlichen Wärme konnte ich auftretende Raynauds-Attacken innert kürzester Zeit abwenden. Und so wird dieser Handschuh, trotz seines klobigen Auftritts, zu meinem treuen Begleiter erkoren.
Die Erkenntnis aus meiner kleinen Versuchsreihe: Auch mit den besten Handschuhen bleiben meine Fingerspitzen nicht dauerhaft geschützt und ausgiebiger Wintersport bleibt in weiter Ferne.
Also versuche ich mein Glück noch bei einem Gefässspezialisten, der meine Arme und Beine gründlich unter die Lupe nimmt. Doch auch diese Untersuchung bleibt ohne bahnbrechende Resultate. Zwar gibt es blutdrucksenkende Mittel, unter deren Einnahme sich die Gefässe erweitern sollen. Nur leider ist mein Blutdruck generell ungewöhnlich tief.
Die empfohlene Therapie des Arztes: Frostbeulen vermeiden (kein Problem, ich besitze mehr als 15 Paar Handschuhe), Gewichtszunahme, mehr Salz und mehr Kaffee! - Eine Medizin, wie sie in dieser Form wohl höchst selten vom Arzt verschrieben wird.
Im Original publiziert auf bluewin.ch am 12.02.2018