Tel Aviv, Stadt der Kontraste

Gerade standen wir noch mit einem Bein in Europa, nun kehren wir unserem heimischen Erdteil endgültig den Rücken zu und lassen uns von den Herbstwinden weiter gen Süden tragen. Unser nächster Zwischenstopp führt in die grösste Wirtschaftsmetropole im Nahen Osten, in eine Stadt, die über die Landesgrenzen hinaus für ihre Willkommenskultur gerühmt wird. Tel Aviv, zu Deutsch: «Hügel des Frühlings» wurde 1909 auf Sand gebaut und stellt seither für Exil-suchende und Reisende aus der ganzen Welt eine neue Heimat dar.

In diesem Jahr ist jedoch nichts mehr, wie es war. Ein kleines Virus schränkt uns Reiselustige ein, Städte oder gar ganze Länder verweigern Reisenden den Zutritt. Ein Glück für uns, dass Zugvögel keine Landeerlaubnis brauchen, so dürfen wir Sie dennoch auf eine gedankliche Reise durch Tel Aviv mitnehmen, in der Hoffnung, dass diese wundervolle Stadt ihre Tore schon ganz bald wieder öffnen darf.

Lebensfreude pur

«Tel Aviv Nonstop City» mit diesem Slogan wirbt die Stadt für sich selbst und trifft es dabei auf den Punkt. In Tel Aviv gibt es einfach immer etwas zu tun, zu sehen, zu geniessen, zu erleben. Ihre Bewohner sind berühmt für eine aussergewöhnliche Toleranz und Lebensfreude, mit der sie Besucher und Einheimische gleichermassen anstecken. Fragt man, woher diese Lust am Leben, diese Ruhe und Gelassenheit kommt, zucken viele nur gleichmütig die Schultern. Vielleicht seien es die düsteren Wolken, die sich immer mal wieder über der Stadt zusammenbrauen und dazu animieren, im Hier und Jetzt zu leben.
Düstere Wolken als Sinnbild für Konflikte zwischen Religionsgruppen, Fanatikern und der Landesregierung, die schon seit eh und je rundum die Hafenstadt Jaffa brodelten. Aber die Sicherheit steht in Tel Aviv an oberster Stelle, weshalb wir die faszinierende Stadt heute unbeschwert erkunden können. Die beiden Stadtteile Jaffa und Tel Aviv sind mittlerweile zusammengeschmolzen, auf der einen Seite das urbane und dynamische Tel Aviv, auf der anderen das traditionell orientalische und gemütliche Jaffa. Wenige Schritte vom ältesten Hafen der Welt entfernt, schlendert man hier zwischen altehrwürdigen Bauten über Flohmärkte, vorbei an Handwerksateliers, Boutiquen und schmucken Strassencafés mit begrünten Terrassen. Es lohnt sich, öfters mal inne zu halten und sich die verwinkelten Gässchen genauer anzusehen, antike Türknäufe, darunter auch mal ein simpler Schuh oder Hausnummern auf grünen und blauen Keramikschildern, die mit den zwölf Tierkreiszeichen versehen sind, belohnen das aufmerksame Auge.
Zwar kommen die meisten Besucher für ein kurzes Galerie-Hopping, die Strandpromenade, die Kirche St. Peters oder den Glockenturm. Aber ein Besuch in Jaffa ist immer auch eine Reise in die Vergangenheit, hier haben alle ihre Spuren hinterlassen Juden, Phönizier, Hasmonäer, Ägypter, Napoleons Truppen, Palästinenser, Osmanen, Europäer und Russen.

Szene-Treffpunkt und boomender Kulturort

Am Fuss der Altstadt von Jaffa im Künstlerviertel Neve Tzedek, erwartet uns ein ganz besonderer Ort: Ha Tachana nennt sich das alte Bahnhofsgelände mit der historischen Bahnlinie, die einst Jaffa und Jerusalem verband. In einem mehrjährigen Projekt wurden die 22 Gebäude auf mehreren Tausend Quadratmetern zu einem beeindruckenden Kultur- und Freizeitareal umgebaut, dass eindrücklich vor Augen führt, wie sehr die junge, moderne Generation und ihre Leidenschaft für eine westliche Lebensweise Einzug in den jüdischen Alltag hält. Besonders die Abende in der kunterbunten Oase haben es uns angetan. Konzerte und zeitgenössischer Tanz, sogar Bierfeste (obwohl hier nur wenig Alkohol getrunken wird) oder Kunstausstellungen ziehen junge und junggebliebene Besucher an. Gegessen wird draussen unter mit Feenlichtern geschmückten Bäumen, ein laues Lüftchen und die untergehende Sonne untermalen die friedvolle, entspannte Abendstimmung.

https://www.hatachana.co.il/en/

Ein Fest für die Sinne

Früh am Morgen, wenn die Sonne noch nicht unerbittlich vom Himmel brennt, machen wir uns auf den Weg zu einem der lebhaftesten und farbenprächtigsten Orte Tel Avivs. Der Carmel Markt ist der grösste Obst- und Gemüsemarkt der Metropole. Hier decken sich die Küchenchefs der Stadt mit frischen Waren und lokalen Produkten ein und lassen sich vom Duft der aromatischen Gewürze betören. Der traditionelle Markt, es gibt ihn schon seit 1920, lockt viele Besucher an, auch Kleider, Schuhe und Taschen werden angeboten. Doch im Mittelpunkt steht der Genuss. Auch wir gönnen uns eine kurze Espresso-Pause im Cafe Bshuk. Dieser winzige Shop, indem ein paar wenige Stühle zum Verweilen einladen, gehört zu den Geheimtipps unter Marktbesuchern. Neben internationalen Kaffeebohnen und Zubehör gehören besonders die Sorten aus der traditionellen Rösterei in Haifa zu den Verkaufsschlagern. Frisch und voller Energie schlendern wir erneut vorbei an den bunten Ständen mit exotischen Früchten und regionalen Köstlichkeiten und fragen uns: Was isst man in Tel Aviv eigentlich am liebsten?

https://en.shuktlv.co.il/category/cafe-bshuk

Humus, Hummus oder Houmous?

Zwei Dinge gehören zur Küche Israels, wie die Pizza zu Italien: das Hummus und der Granatapfel. Die tiefrote, saftige Frucht und das cremige Kichererbsenmus sind so etwas wie der Nationalstolz der Israelis und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Dennoch ist ihr Geschmack nirgends so vollmundig und intensiv. Granatäpfel werden hierzulande als Superfrucht verehrt. Kein Wunder, die kleinen Kerne stecken voller Vitamine und Ballaststoffe und sind zudem äusserst dekorativ. Auch der Saft der aussergewöhnlichen Frucht wird in der levantinischen Küche zum Verfeinern von Saucen und Suppen und seiner tiefroten Farbe halber sehr geschätzt. Um die exotische Frucht ranken übrigens unzählige Mythen, so soll sie genau 613 Kerne enthalten, die gleiche Anzahl wie die 613 Gebote und Verbote der Tora. Das liebste Nationalgericht der Israelis aber ist «Hummus». Für die traditionelle Speise gibt es unzählige Schreibweisen, ausgesprochen wird es aber immer mit einem Schweizer «ch» und «o» anstelle von «u», also in etwa: «Chommos». Angeboten wird das cremige Mus aus Kichererbsen, Tahina und Olivenöl in mindestens ebenso vielen Varianten: Mal kalt, mal warm, mit Fleisch, mit Gemüse, pur oder stark gewürzt. Einzig das frisch gebackene Fladenbrot, das Löffel und Gabel ersetzt, ist sein treuer und gleichbleibender Begleiter.

Sarona – die «Kleinststadt» mitten in der Metropole

Ein weiteres Denkmalpflege-Projekt der Stadtplaner von Tel Aviv gehört heute zu den Hotspots und beliebtesten Treffpunkten bei Einheimischen und Besuchern. Sarona wurde vor über 150 Jahren von einer deutschen Templergesellschaft gebaut, die das Christentum vorleben und verbreiten wollte. Die charmanten Häuser wurden liebevoll restauriert, dazwischen liegen gepflasterte Strassen, die immer wieder Erinnerungen wecken an unsere europäische Heimat. Obwohl wir uns hier mitten im Zentrum von Tel Aviv befinden, fühlen wir uns meilenweit weg von der Hektik der Grossstadt. Die Uhren scheinen hier langsamer zu ticken, Sarona ist der perfekte Ort für eine ausgiebige Pause. Das Herzstück des aufstrebenden Quartiers ist der überdachte «Sarona Market» mit über 90 unterschiedlichen Essensständen. Ein wahres Paradies für Gourmets, denn hier werden die leckersten Speisen aus allen Küchen und Kulturen vereint, miteinander kombiniert und für alle Sinne perfekt angerichtet. Man könnte sich hier den ganzen Tag durchschlemmen, doch auch eine Reihe von Museen und Boutiquen laden zum Erkunden ein oder man lässt sich einfach auf einer der grasgrünen Wiesen nieder und beobachtet glücklich und gesättigt die ziehenden Wolken am strahlend blauen Himmel.

https://www.saronamarket.co.il/

Von Früh bis Spät – am Strand hat jede Tageszeit ihren besonderen Reiz

Die Bewohner von Tel Aviv sind Geniesser, das haben wir nun schon mehrfach festgestellt. Sie pflegen die Sonnenseiten des Lebens und bleiben trotz der spürbaren Betriebsamkeit in dieser Grossstadt freundlich und entspannt. Ob die hohe Lebenserwartung daraus resultiert? Oder ist es vielleicht doch eher der auffallende Hang zum Körperkult, der besonders entlang der Strandpromenade ins Auge sticht? Beinahe an jedem Strand gibt es Beachvolleyball-Felder, Velowege und Street-Workout-Geräte, an denen jung und alt gemeinsam ihre Muskeln stählt. Es scheint tatsächlich, als hielten sich hier alle fit. Die Strandpromenade von Tel Aviv erstreckt sich über 14 Kilometer, wird aber in unterschiedliche Abschnitte unterteilt. Es gibt beispielsweise den religiösen Strand, der tageweise für Männer oder Frauen zugänglich ist oder den Atzmout Strand für Homosexuelle, den Hilton Strand, der für ein Bad im Meer der Beste sein soll oder den von den Einheimischen als schönster gekürte Frishman Strand. In den Abendstunden zieht es viele Bewohner der Stadt an die Strände, dann wird gegrillt und dicke Rauchschwaden mischen sich mit der Brandung. Hier hören wir hebräisch, dort ein paar arabische Worte, es wird gesungen und gelacht. Uns zieht es aber noch ein paar Schritte weiter. Nur wenige Minuten vom Strand entfernt liegt die Imperial Craft Cocktail Bar, hier steht hinter der Theke, was Rang und Namen in der Szene hat und betört die Gäste mit aussergewöhnlichen Kreationen. Die kunstvoll drapierten Drinks sollen nicht nur schmecken, sondern wecken mit klangvollen Namen wie «La Vie en Rose» oder «Prelude to a Kiss» gleich ein einzigartiges Lebensgefühl.

https://www.imperialtlv.com/

White City – ein Spiel mit Licht und Schatten

Tel Aviv ist vor allem eines: ungewöhnlich, auffallend und exzentrisch. Und so mag es kaum verwundern, dass hier eine Reihe auf den ersten Blick unscheinbare Bauhäuser zum UNESCO Weltkulturerbe benannt wurde.
Die Bauhaus-Architektur stammt aus dem deutschen Weimar und wurde von dort hinaus in die ganze Welt getragen. In der «White City» steht mit rund 4000 Gebäuden das grösste Ensemble im «Internationalen Stil», der sich vor allem durch funktionale und rationale Formen auszeichnet. Zwischen 1931 und 1956 entstand das meisterhafte Werk, das die grösstenteils deutschstämmigen Architekten mit einigen lokalen Herausforderungen konfrontierte. So mussten beispielsweise erst mehrere Tausend Bäume gepflanzt werden, um das sandige Terrain zu festigen, auch die Lichtverhältnisse waren natürlich ganz anders, als jene in der Heimat. Mit kleineren Fenstern, asymmetrischen Fassaden oder Sonnenblenden wurde den klimatischen Bedingungen Rechnung gezollt, dennoch entstanden lichtdurchflutete Räume, Innenhöfe und Plätze.
Die meisten und schönsten Gebäude liegen vor allem auf dem Rothschild Boulevard und in der Umgebung des Dizengoff-Platzes. Er ist das Herzstück des UNESCO-Welterbes und wurde vor Kurzem in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt, nachdem er in Folge einer missratenen Renovation jahrelang zu den grössten Bausünden Israels gehörte. Heute erstrahlt er in seinem damaligen Glanz. Besonders ins Auge stechen die geschwungenen Balkone und Fassaden der umliegenden Bauten, die damit beinahe an Schiffe erinnern. Dazu gehört auch das ehemalige Kino Esther, heute ein wunderschönes Hotel, in dessen Räumlichkeiten das Flair der 30er Jahre Kinos überall zu spüren sind. Im Norden der «Weissen Stadt» liegen die Jehoshua Gärten – eine riesige Parkanlage am Ufer des Jarkon Flusses, die ein beliebter Rückzugsort für die Städter geworden ist. Nordwestlich liegt der Hafen von Tel Aviv, heute ein populäres Ausgehviertel mit unzähligen Restaurants und Clubs.

https://www.atlas.co.il/cinema-hotel-tel-aviv-israel

Stilvoll Reisen – wider aller Umstände

Auf ihrer Reise gen Süden haben uns die Zugvögel von Pack Easy eindrücklich vor Augen geführt, welche Schönheit und Diversität auf allen Kontinenten anzutreffen ist. Auch im Norden, Osten und Westen – Reisen ist seit jeher eine Bereicherung für uns Menschen.
Eines ist klar, wir wollen uns die vielen zauberhaften Orte auf der Welt nicht vorenthalten und ergänzen unser Reisegepäck lieber mit dem Must-have-Accessoire des Jahres 2020. Das FeelSafe-Maskenset erlaubt uns sicher, modisch und nachhaltig mobil zu bleiben. Tel Aviv ist nur eine Stadt, die uns hoffentlich bald wieder willkommen heissen darf, doch in welche Winkel der Erde es uns auch ziehen mag, dieser neue stilvolle Begleiter gehört fortan in unser Handgepäck.

Im Original publiziert auf packeasy.ch am 16. Oktober 2020